Karl Blossfeldt

Das visionäre Werk des Fotografen Karl Blossfeldt (1865–1932), dessen Arbeiten heute als Meilensteine der frühen Fotografie gelten und eine zentrale Rolle im Spannungsfeld von Kunst, Wissenschaft und Moderne einnehmen. Blossfeldts Fotografien von Pflanzen und Naturformen sind weit mehr als botanische Studien – sie sind Zeugnisse einer Ästhetik, die das Unsichtbare sichtbar macht: das Ordnungsprinzip der Natur.

Karl Blossfeldt wurde 1865 im Harz geboren und begann seine Laufbahn als Zeichner und Modellierer für den Unterricht an Kunstgewerbeschulen. In den 1890er Jahren wurde er Assistent am Lehratelier für Modellieren an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin. Dort entwickelte er die Idee, Naturformen als ästhetisches und strukturelles Vorbild für die angewandte Kunst zu lehren – ein Konzept, das seine spätere fotografische Arbeit grundlegend prägen sollte.

Seine fotografischen Studien entstanden zunächst als Unterrichtsmaterial, doch schon bald wurde die künstlerische Dimension seiner Bilder offensichtlich. Erst 1928, mit der Publikation des Bandes „Urformen der Kunst“, gelang Blossfeldt der internationale Durchbruch. Die Bildsprache seiner Pflanzenporträts traf den Nerv der Zeit – zwischen Naturverehrung und sachlicher Moderne.

Blossfeldts fotografisches Œuvre besteht fast ausschließlich aus streng komponierten Nahaufnahmen von Pflanzen, Samenständen, Knospen und Blattstrukturen. Seine bevorzugte Methode war die Aufnahme mit selbstgebauten Kameras und Mikroskopen, die eine bis zu dreißigfache Vergrößerung ermöglichten. Dadurch rückte er Details ins Blickfeld, die dem menschlichen Auge sonst verborgen bleiben – filigrane Ornamentik, architektonische Symmetrien, rhythmische Formwiederholungen.

Diese Objektivierung der Natur lässt seine Bilder sowohl wissenschaftlich als auch künstlerisch wirken. Sie stehen in der Tradition des Neuen Sehens der 1920er Jahre, das die fotografische Wirklichkeitserfassung als Mittel zur Weltaneignung feierte. Zugleich sind sie Teil der Neuen Sachlichkeit, deren nüchterner Blick die Dinge aus ihrem funktionalen Zusammenhang herauslöst und in neue Bedeutungszusammenhänge stellt.

 

 

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© Volker Marschall